Wer sich für den Bezug von Ökostrom interessiert, findet in so genannten Ökostrom-Labels eine wichtige Orientierungshilfe: Die Zertifikate garantieren nicht nur, dass der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt, sondern weisen zugleich nach, dass mit dem Bezug des Stroms auch der Ausbau der Erneuerbaren unterstützt wird. Wie dieser zusätzliche Umweltnutzen sichergestellt wird, ist allerdings von Label zu Label sehr unterschiedlich. In unserem Überblick zeigen wir, welche Ökostrom-Zertifikate empfehlenswert sind.

Die Idee hinter den Ökostrom-Labels ist im Grunde sehr einfach: Sie dienen als eine Art Gütesiegel, das nur unter bestimmten Bedingungen vergeben wird. Auf diese Weise sollen Verbraucher hochwertige Ökostrom-Produkte leichter erkennen und von Tarifen ohne ökologischen Mehrwert unterscheiden können. Anders als beispielsweise bei Bio-Lebensmitteln gibt es jedoch kein staatliches Label mit klaren Kriterien. Somit definiert jeder Herausgeber selbst, was aus seiner Sicht guten Ökostrom ausmacht. Die Kriterien für die Label-Vergabe sind daher sehr unterschiedlich, werden immer wieder überarbeitet und mitunter kontrovers diskutiert.

Verschiedene Modelle, um Umweltnutzen sicherzustellen

Das wichtigste Kriterium, das bei einem Vergleich der Zertifikate betrachtet werden sollte, ist natürlich zunächst die Frage, wie die verschiedenen Labels den zusätzlichen Umweltnutzen eines Ökostrom-Tarifs sicherstellen. Dabei lässt sich grob zwischen zwei Ansätzen unterscheiden: dem so genannten Fondsmodell, bei dem ein bestimmter Förderbetrag pro Kilowattstunde Strom in den Ausbau der erneuerbaren Energien fließt, und der so genannten Neuanlagenquote, die für einen Teil der Erzeugungsanlagen ein bestimmtes Alter vorsieht.

Die Idee hinter diesem Alterskriterium: Dadurch dass die Anlagen, aus denen der Ökostrom stammt, ein bestimmtes Alter nicht überschreiten dürfen, soll eine kontinuierliche Nachfrage nach Strom aus neuen Anlagen und damit ein kontinuierlicher Investitionsanreiz geschaffen werden. Welches Alter für die Anlagen genau vorgesehen ist, ist von Label zu Label verschieden. Auch bei der genauen Ausgestaltung des Fondsmodells zeigen sich Unterschiede, konkret betrifft dies die Höhe des Förderbetrags und die Art der geförderten Projekte.

Da die genaue Herkunft des Stroms bzw. die unterstützten Projekte bei der Vergabe der Labels also von großer Bedeutung sind, zeichnet sich ein gutes Label aus Sicht der Verbraucherzentrale Niedersachsen auch dadurch aus, dass den Verbrauchern im Internet Informationen zu genau diesen Punkten bereitgestellt werden. Bei der detaillierten Bewertung der Labels weiter unten auf dieser Seite findet sich daher stets die Frage „Kann man sich auf der Website des Labels über die geförderten Projekte bzw. die Herkunftsanlagen informieren?“. Weiterhin ist es im Sinne der Transparenz wünschenswert, dass Verbraucher die genauen Vergabekriterien auf der Website der Anbieter einsehen können, dass die Einhaltung der Kriterien von unabhängigen Stellen überprüft wird und dass zur Kennzeichnung des Labels ein Logo gewählt wurde, das einen klaren Wiedererkennungswert hat und somit keine Verwechslungsgefahr mit anderen Ökostrom-Zertifikaten besteht.

Herkunftsnachweise können zur „Umetikettierung“ führen

Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Bewertung der Labels ist die Frage, ob ein Energieversorger für seine Ökostrom-Kunden tatsächlich Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen einkauft, das heißt, ob ein direkter Liefervertrag zustande kommt. Hintergrund dieser Überlegung ist der Handel mit so genannten Herkunftsnachweisen. Herkunftsnachweise sind ein wichtiger Bestandteil des Zertifizierungsprozesses, weil sie nachweisen, dass eine bestimmte Menge Strom tatsächlich aus erneuerbaren Energien stammt und in welcher Anlage der Strom produziert wurde. Allerdings können Herkunftsnachweise auch getrennt von der dazugehörigen Strommenge gehandelt werden – der ökologische Mehrwert des Stroms wird also sozusagen abgespalten und einzeln vermarktet, sodass der ursprüngliche Ökostrom dann nur noch als Graustrom ins Netz eingespeist wird. Aus ökologischer Perspektive ist gegen diese Trennung grundsätzlich nichts einzuwenden, allerdings hat sie natürlich zur Folge, dass der separat gehandelte Umweltnutzen letztlich mit Strom aus anderen Quellen in Verbindung gebracht wird. Im Extremfall kann das bedeuten, dass ein Ökostrom-Anbieter seinen Strom ausschließlich bei Kohle- und Atomkraftwerken bezieht, ihn dank der Herkunftsnachweise jedoch als Ökostrom kennzeichnen darf.

Für viele Kunden ist diese „Umetikettierung“ mit dem Grundgedanken des Ökostroms nicht vereinbar. Rein physikalisch macht es zwar keinen Unterschied, ob ein direkter Liefervertrag zwischen einem Ökostrom-Anbieter und einem Betreiber von erneuerbaren Erzeugungsanlagen zustande kommt, da der Ökostrom ohnehin nicht direkt zum Verbraucher transportiert werden kann, sondern im allgemeinen Strommix aufgeht (dem „Strom-See“, wie es häufig heißt), allerdings stellt sich natürlich die Frage der Glaubwürdigkeit. Zudem kann es durch den getrennten Handel von Herkunftsnachweisen vorkommen, dass Ökostrom-Kunden mit ihren Zahlungen indirekt die Betreiber von fossilen Kraftwerken unterstützen, da ihr Anbieter sich dort mit Strom eindeckt. Besteht dagegen eine direkte Lieferbeziehung zwischen den Stromversorgern und den Betreibern von erneuerbaren Erzeugungsanlagen, kommen die Einnahmen ausschließlich den erneuerbaren Energien zugute.

Weitere Kriterien in der Diskussion

Als weitere Kriterien für die Bewertung von Ökostrom-Labels werden unter anderem die Umweltverträglichkeit der Erzeugungsanlagen während des Betriebs, die Gleichmäßigkeit, mit der der Ökostrom im Laufe eines Jahres ins Netz eingespeist wird („Gleichzeitigkeit“), die an der Entwicklung der Vergabekriterien beteiligten Personen sowie mögliche Verflechtungen zwischen den Ökostrom-Anbietern und der Kohle- bzw. Atomindustrie diskutiert. All diese Punkte haben jedoch gemeinsam, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr schwer vergleichbar sind, da die Anforderungen der einzelnen Labels sehr unterschiedlich ausgestaltet sind bzw. es durchaus Wege gibt, diese zu umgehen. Eine wirkliche Orientierung für den Verbraucher bieten diese Ansätze aktuell also nicht. In der folgenden Übersicht zu den einzelnen Labels werden daher nur die weiter oben erläuterten Kriterien berücksichtigt.

Abschließend noch eine Vorbemerkung zur Einordnung der Labels: Ausschlaggebend für die Bewertung in unserer Übersicht ist in erster Linie der zusätzliche Umweltnutzen. Die weiteren Kriterien fließen zwar mit gewissen Abstrichen ebenfalls in das Fazit ein, dienen aber letztlich vor allem der Information, damit Stromkunden einen detaillierten Überblick bekommen und am Ende selbst entscheiden können, welches Label am besten zu ihren Wünschen passt.


1. Grüner Strom

Das Grüner-Strom-Label wird bereits seit 1998 vergeben und ist damit das älteste Ökostrom-Label Deutschlands. Träger des Vereins Grüner Strom Label e.V. sind sieben gemeinnützige Umwelt- und Verbraucherverbände sowie Friedensinitiativen (darunter der BUND, der NABU und EUROSOLAR).

Das Grüner-Strom-Label basiert auf einem Fondsmodell. Der Förderbetrag liegt bei einem Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom und ist damit höher als bei allen anderen Zertifikaten. Bei einem Stromverbrauch von mehr als 10.000 kWh Stunden pro Jahr sinkt der Förderbetrag auf 0,4 Cent; dies ist für normale Haushaltskunden mit einem durchschnittlichen Verbrauch jedoch nicht weiter relevant.

Gefördert werden sowohl neue Anlagen als auch innovative Energieprojekte, beispielsweise Speicher und intelligente Netze. Der Schwerpunkt der Förderung liegt auf Projekten im Inland, um die Energiewende in Deutschland voranzutreiben.

Optional können sich Stromanbieter im Rahmen der Zertifizierung auch weitere Eigenschaften der Stromlieferung bescheinigen lassen. Beispielsweise kann mit dem Label kenntlich gemacht werden, aus welchen regionalen Kraftwerken der Versorger seinen Strom bezieht oder welche Anlagen ihm selbst gehören.

Auf einen Blick:

Wie wird der zusätzliche Umweltnutzen sichergestellt?
Förderbetrag von 1 Cent/kWh

Kann man sich auf der Website über die geförderten Projekte informieren?
Ja, Landkarte mit fast allen in Deutschland geförderten Anlagen sowie ausführliche Beschreibung von Beispielprojekten im In- und Ausland

Sind die Kriterien für die Label-Vergabe auf der Website einsehbar?
Ja, hier

Ist das Logo eindeutig? (keine Verwechslungsgefahr)
Ja
Wird die Einhaltung der Kriterien von externen Stellen überpüft?
Ja (ZSW)

Ist die Verwendung von Herkunftsnachweisen an einen Liefervertrag gekoppelt?
Ja

Fazit --> Sehr empfehlenswert


Den kompletten Artikel mit einer Gesamtübersicht aller bewerteten Ökostromanbieter können Sie sich in dieser PDF Datei ansehen.

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